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Segantini und Chiesa Bianca
Gioconda Segantini - Leykauf
Im Jahr 1884 wurde die Chiesa Bianca in Maloja
vom belgischen Grafen de Renesse erbaut. Sie
war Teil seines grossen Planes, aus Maloja ein
Monte Carlo der Alpen zu machen. Lange Zeit
war die Chiesa Bianca, damals hiess sie San Gau-
denz, die katholische Kirche des Dorfes. Dann
baute ein sehr unternehmungsfreudiger Pfarrer
im Dorf eine neue Kirche und San Gaudenz
wurde desakriert, wurde Jugendherberge für
Kinder aus einer Pfarrei aus Genua. Als deren
Pfarrer aus Altersgründen die Jugendlichen nicht
mehr begleiten konnte, wurde die Kirche einfach
zu gemacht und ihrem Schicksal überblassen.
Ohne die kleine weisse Kirche mit dem roten
Dach würde in Maloja etwas Wesentliches feh-
len, vor allem auch weil man Segantini hier auf-
bahrte bevor er im kleinen Friedhof von Maloja
die letzte Ruhe fand. 1995 übernimmt Gioconda
Leykauf-Segantini die Kirche, nennt sie Chiesa
Bianca und restauriert und renoviert die Chiesa
mit dem „Freundeskreis pro Chiesa Bianca” und
vielen Sponsoren. Es wird die Idee geboren,
jedes Jahr ein „Fest der Begegnung” zu feiern,
bei dem immer eine Ausstellung eröffnet wird.
Einer der ersten Künstler, die hier ausgestellt
haben, war De Maria. Er blieb längere Zeit in
Maloja und malte Bilder vom Ort und der Ge-
gend, die dann in der Chiesa zu sehen waren.
Zum hundertsten Todestag von Segantini stellte
Marco Vinicio aus, Titel der Ausstellung waren
Segantinis letzte Worte: „Ich will meine Berge
sehen”. Er verwendete für seine vielbeachteten
Bilder eigentlich nur drei Motive, unter anderem
das Profil von Segantini. Eine vieldiskutierte
Ausstellung war die des Fotografen Galli, der
Beuys und Segantini gegenüberstellte. Beuys war
ein kritischer Glaubender, der in seiner Kunst
und in seinen Texten vom Betrachter die Bereit-
schaft erwartete, die Dinge zu hinterfragen und
sich ihnen zu stellen. So kann man den Satz
„Weg mit Gott” als Lästerung verstehen, man
kann darin aber auch den Weg sehen, den man
mit Gott geht. Diese Ausstellung war in anderen
offenen Kirchen ein Erfolg, die Chiesa Bianca
aber hat wegen der Ausstellung ihren Haupt-
sponsor verloren. Im vergangenen Jahr stellten
Professor Andreas Theurer vom Bauhaus in Des-
sau und Robert Honegger, ein Schweizer Künst-
ler, aus. Die Ausstellung wurde sehr geschätzt.
In diesem Jahr ist es für die Freunde der Chiesa
Bianca eine grosse Ehre, die Bilder der Ausstel-
lung „Das Geistige in der Natur”mit ausgewähl-
ten Werken von Alessandro Savelli und Franco
Marrocco zeigen zu können. Die Chiesa Bianca
ist ein Ort, in dem Geist und Tod von Segantini
erlebbar sind, nicht zuletzt durch das alte Fried-
hofstor von Maloja, das Segantini in seinem Bild
„Glaubenstrost” verewigt hat. Die Büste des Bild-
hauers Troubetzkoy, ein Freund von Segantini,
spricht von der grossen Vitalität des Künstlers.
In diesem ganz besonderen Kontext werden Se-
gantinis Leben und sein Tod spürbar. Daher hat
der Kurator Luciano Caramel beschlossen, in
der völlig leeren Kirche vier Bilder auszustellen
und reproduzierte Ausschnitte aus dem „Tripty-
chon”. Bei den vier Bildern ist es, als wollte man
Segantini aufbrechen, um sein tiefes Verständnis
der Natur zu erfassen und seine Suche nach dem
Geistigen in ihr, im Leben und im Tod, wahrzu-
nehmen. In diesem Sinn will der Kurator, dass
man auch die Ausschnitte des „Triptychons”
sieht und versteht. Der Kontrast zwischen den
beiden Künstlern - der eine auf der Suche nach
der Farbe in der Natur, der andere auf der Suche
nach dem Augenblick des Lebens, des Todes
oder der Ewigkeit - ist mehr als eine Hommage
für Segantini. Darin versinnbildlicht sich die
Suche nach dem Einklang der Welt und dem
Geist des Künstlers.